Stephen Baxter: Das Geflecht der Unendlichkeit (1997)
Der zweite Teil des Xeelee-Zyklus behandelt insgesamt drei Zeitebenen. Da gibt es die "Gegenwart" des Michael Poole, die im 39. Jahrhundert angesiedelt ist, dann die Zeit der Qax-Unterdrückung, die darüber hinaus 1.500 Jahre in der Zukunft spielt und schließlich jene, um weitere 250 Jahre später betrachtete Zeit, in der sich die Menscheit bereits von der Qax-Knechtschaft befreit hat. Um die Handlung besser darstellen zu können, untergliedere ich meine Rezenssion in diese drei Ebenen.
Mir persönlich hat dieser Band sehr gut gefallen, da die drei Zeitebenen realistisch erzählt werden. Zudem behandelt das Buch die frühen Jahre der Menschheit in der Gemeinschaft der raumfahrenden Spezies. Hier werden die späteren Ereignisse rund um die Photino-Vögel lediglich angekündigt und noch sehr verschwommen erzählt. Alles in allen eine spannende Lektüre, die zur Hard-Science Fiction zählt.
Achtung, SPOILER-Warnung! Der folgende Text enthält eine Inhaltsbeschreibung des Buches.
Die Zeit der ersten menschlichen Expansion
Die Idee des Romans ist die Ausnutzung eines Wurmlochs, um zwischen unterschiedlichen Zeitebenen springen zu können. Michael Pool entwickelte dazu mit seinem Team an Wissenschaftlern in der Umlaufbahn des Jupiters aus exotischen Materialien eine riesige pyramidenförmige Torkonstruktion. Das Gegenstück dieses Tores wurde von der Cauchy, einem Raumschiff mit GUT-Antrieb (= Grand Unified Theory) bei annähernd Lichtgeschwindigkeit etwa einhundert Jahre lang in einem großen Bogen um das Sonnensystem transportiert. Durch die Zeitdilletation vergingen außerhalb des Raumschiffes ganze 1.500 Jahre. Am Ziel angekommen aktivierte die Crew rund um Poor's Freundin, Miriam Berg, das Portal um damit den Kontakt zum Gegenstück in der Umlaufbahn des Jupiters, in der "Gegenwart" herstellen zu können.
In den tausendfünfhundert Jahren dieser Reise hatte sich die Menschheit erheblich weiter entwickelt und sich zu den Sternen der Sonnenumgebung aufgemacht. Auch der Kontakt zu extraterrestrischen Spezies wurde dabei aufgenommen. Diese Expansion brachte auch große Gefahren für die Zivilisation. So wurden die Menschen gleich bei ihrer ersten Kontaktaufnahme von einem reptilienartigen, geistigen Kollektivlebewesen namens Squeem versklavt. Doch schließlich wurde die Herrschaft der Squeem abgeschüttelt, und die Menschheit bereiste erneut den Weltraum, diesmal mit von den Squeem gestohlenen Hyperflug-Triebwerken.
"Das leichte, ineffiziente Joch der Squeem wurde (im nachhinein) mit Leichtigkeit abgeschüttelt, und die Menschen stießen erneut in die Galaxis vor, in neuen Schiffen mit Hyperantrieb… die aus ›zweiter Hand‹ von den Squeem erbeutet worden waren. Dann trafen die Menschen auf die Qax. Und vorbei war es mit der ewigen Jugend."
(Quelle: Das Geflecht der Unendlichkeit; Baxter, Stephen; 1997; S.88)
Michael Poole hatte sich nach dem Abflug der Cauchy über hundert Jahre in die Oortsche Wolke zurückgezogen, um seinen Studien und seinem Trennungsschmerz nach Miriam nach zu hängen. Plötzlich wurde er von der Erdregierung mittels eines virtuellen, semisensitiven Abbilds seines Vaters kontaktiert. Poole sollte so rasch es geht zum Jupiter kommen, da das Zeittor den Anschein erweckte, von der anderen Seite aktiviert worden zu sein. Dieser Aufforderung kam er nach und so gelangte er gerade rechtzeitig zum Jupiter, um den Durchgang der "Freunde von Wigner" mit zu erleben. Er entschloss sich, das getarnte Raumschiff (es wurde während der zukünftigen Qax-Herrschaft unter den Steinen von Stonehenge verborgen, nun stellte es sich als eine bizarre, kleine Weltkugel dar, dessen Atmosphäre von sphärischen Kräften geschützt wurde) der Freunde zu besuchen. Wie erhofft begegnete er seiner Liebe Miriam, die gegen ihren Willen auf dieser Weltenkugel festgehalten wurde.
Mit einiger Verzögerung erkannten die Protagonisten, dass sich ein weiteres Objekt durch das Zeittor näherte, es handelte sich dabei um den Qax aus der fernen Zukunft mit den beiden requirierten Spleen-Schiffen (siehe dazu mehr weiter unten). Mit dem Durchqueren des Tores begann der Außerirdische umgehend mit der Umsetzung seines Plans, die gesamte Menschheit in diesem Zeitstrang zu eliminieren. Doch Poole, Miriam Berg und die Freunde von Wigner setzten mit ihrer Welteninsel und Pooles' Raumschiff alles daran, die beiden Splines zu zerstören. Durch die Überheblichkeit des Qax beging dieser weitreichende Fehler und konnte dadurch noch rechtzeitig aufgehalten werden. Die Spline-Schiffe wurden dabei weitestgehend zerstört.
Nach der Vernichtung des Qax versuchten die Freunde von Wigner ihren geheimnisvollen Plan fortzusetzen. Ihr Ziel war der Abwurf speziell konfigurierter, kleiner Schwarzer Löcher über dem Jupiter, damit dieser in den nächsten Äonen selbst zu einem Schwarzen Loch werden konnte. Der Grund für diesen Plan war die Geheimlehre der Freunde. Sie gingen davon aus, das in weitester Zukunft das Universum von einer Spezies beherrscht werden wird, die sämtliche Alternativen des Universums dahingehend kennen und wählen wird, das ein einziger Zeitstrang mit dem optimalsten Ereignissen bzw. Ergebnissen festgelegt werden kann. Die Freunde versuchen mit ihrem Vorhaben den Jupiter mit ihren Schwarzen Löchern so zu konfigurieren, dass dessen Schwarzes Loch eine Art Zeitkapsel ermöglicht, damit diese gottgleichen Wesenheiten der fernen Zukunft die Menschheit in deren optimierten Aufbau des Universums einpflegen können.
Um jedwede Gefahr aus der Zukunft zu unterbinden, beschloss Michael, das letzte noch einigermaßen funktionsfähige, im Sterben befindliche Spline (sein eigenes Raumschiff, die Hermit Crab steckte wie ein Dolch in der riesigen Kreatur) zu benutzen, um durch das Zeitportal in die Zukunft zu reisen und dabei dieses Wurmloch, wie jenes zweite der Qax in der Zukunft zu zerstören. Das gelingt Michael auch mit einiger Mühe, er selbst geht dabei aber in Raum und Zeit verloren.
"Durch ein temporäres Netzwerk von Wurmlöchern, die hinter ihm in einem Sturm aus Gravitationswellen und Hochenergie-Partikeln implodierten, wurde Michael Poole hilflos in die Zukunft geschleudert."
(Quelle: Das Geflecht der Unendlichkeit; Baxter, Stephen; 1997; S.213f)
Die Zeit der Qax-Knechtschaft
Um 5088 n. Chr. begegneten die Menschen den Qax, sie hofften, man könne mit diesen Außerirdischen wirtschaftliche Beziehungen zum gegenseitigen Vorteil knüpfen, diese Annahme trügte und wieder wurde die Erde und ihre Kolonien für mehrere hundert Jahre versklavt. Die Qax waren eine außerirdische Spezies, die aus chaotischen Kräften erschaffen wurden (zuerst in den Meeren ihres Heimatplaneten; in den Äonen danach entwickelten sie sich zu Teilen von Gasriesen, Braunen Zwergen und schließlich zu einem Teil des Quantengewebes des Universums). Sie waren immer nur wenige und als solche nicht von Natur aus kriegerisch, da sie defacto unsterblich waren, sie konzentrierten sich eher auf den Handel.
Die Qax-Herrschaft war brutal, so verboten die Außerirdischen die Anti-Aging-AS-Behandlungen und entfernten die virtuelle Unsterblichkeit, die die Menschen in den letzten zweitausend Jahren erlangt hatten, auch war das interstellare Reisen für Menschen praktisch unmöglich geworden.
Die Cauchy tauchte mit ihrer Fracht im Jahre 5274 n. Chr., während der Qax-Herrschaft im Sonnensystem auf und wurde sofort von den Außerirdischen geentert. Aber nicht bevor eine menschliche Widerstandsgruppe (die "Freunde von Wigner", angelehnt an den Physiker Eugene Wigner) gemeinsam mit Miriam Berg und einem eigenen, getarnten Raumschiff durch das Tor in die Vergangenheit entkommen konnten. Dort machten sie sich daran, Jupiter für ihre eigenen Zwecke mit Schwarzen Löchern zu besetzen. Danach sahen die Qax die Menschheit als viel größere Bedrohung an und ergriffen Maßnahmen. So entwickelten die Qax unter anderem ein weiteres Zeitportal und schickten dessen Gegenstück mehr als zweihundert Jahre in deren Zukunft.
Dieses zweite Zeitportal brachte schließlich einen Qax aus der Zukunft dazu, im Zeitstrahl zurück zu reisen, um die Menscheit noch vor deren ersten Kontakt zu den Qax vernichten zu können. Dieser Plan wurde aber in der „Gegenwart“ des Michael Poole verhindert. Der Zeitreisende tötete den hiesigen Qax-Gouverneur, entführte den menschlichen Diplomaten Jasoft Parz (er brauchte ja einen Zeugen für seinen Triumph) requirierte zwei Spline-Schiffe und reiste durch das ursprüngliche Tor die 1.500 Jahre in die Vergangenheit.
Die Zeit der menschlichen Wiedererstarkung
"Ein paar Jahrhunderte nach Parz’ Zeit würde ein unbedeutender Mensch namens Jim Bolder existieren. Die Qax würden versuchen, Bolder anzuwerben und ihn zu ihrem Vorteil einzusetzen. Doch Bolder würde sie aufs Kreuz legen – sie irgendwie dazu veranlassen, einen Sternenhammer auf ihre eigene Sonne zu richten."
(Quelle: Das Geflecht der Unendlichkeit; Baxter, Stephen; 1997; S.96)
Die Qax sendeten im Jahre 5407 n.Chr. Jim Bolder in einem erbeuteten Xeelee-Nachtjäger aus, um den Großen Attraktor zu untersuchen. Durch sorgfältige Planung kehrte er am falschen Ort zum Qax-Heimatsystem zurück und konnte so die wartende Armada umgehen. Die Qax feuerten auf das Schiff (Bolder war kurz zuvor von Bord gesprungen). Unter den verwendeten Waffen war auch ein Xeelee-Sternenbrecher, dessen Strahl die Qax-Sonne berührte. Dies ließ die Sonne zu einer Nova werden, die ihr gesamtes Heimatsystem zerstörte. Die Qax waren gezwungen, die Besetzung der Menschheit aufzugeben, um von da an ihr eigenes Leben in einer Diaspora zu retten. Die Qax verschwanden für Jahrhunderte, um neue Orte zum Leben zu finden. In der Zwischenzeit wurde die Menschheit zu einem riesigen Imperium und die Qax erlangten nie mehr ihre frühere Macht zurück.
Diesen Zeitstrang versuchte im Zuge des Romans ein namenloser Qax aus der Zukunft zu verhindern. Er reiste durch das Zeitportal in das Jahr 5274 n. Chr. zurück. Dort tötete er den seiner Meinung nach inkompetenten Qax-Gouverneur des Erd-Systems, beschlagnahmte zwei riesige Spline-Schiffe1 und reiste mit dem menschlichen Diplomaten Jasoft Parz weiter in die "Gegenwart" zurück.
"Die Menschen nannten es das Anti-Xeelee. Es war… groß. Seine abgehobenen Emotionen konnten in der menschlichen Terminologie nur durch Analogien beschrieben werden. Nichtsdestoweniger – das Anti-Xeelee betrachtete sein vollendetes Werk mit Wohlgefallen. Sein Bewußtsein erstreckte sich über Lichtjahre. Leuchtende Materie füllte das Universum an; die Xeelee waren gekommen, hatten schöne Burgen aus dieser glühenden Substanz gebaut und waren dann verschwunden. Bald begann diese Materie selbst zu verfallen, und das Anti-Xeelee konnte bereits die zuckenden Muskeln der Bewohner des dunklen Ozeans erkennen, der sich darunter erstreckte. Die Funktion des Anti-Xeelee hatte darin bestanden, die riesigen Projekte der Xeelee zu begleiten, die Projekte, deren Zweck darin bestanden hatte, einen Fluchtweg aus diesem tödlichen Kosmos zu schaffen. Zum Erreichen ihrer Ziele waren die Xeelee sogar zurück durch die Zeit gereist, um ihre eigene Evolution zu modifizieren und ihre Geschichte in eine geschlossene zeitgleiche Kurve zu überführen, ein Vakuumdiagramm. Das Anti-Xeelee war das diesen Prozeß vorantreibende Bewußtsein und reiste – wie ein Antiteilchen – von dem Moment seiner Auflösung zurück durch die Zeit bis zum Augenblick seiner Entstehung. Jetzt war sein Auftrag ausgeführt. Das Anti-Xeelee verspürte so etwas wie Zufriedenheit bei dem Gedanken, daß seine Ladungen entkommen und jetzt außerhalb der Reichweite von diesen… anderen waren, denen die Xeelee letztlich nichts hatten entgegensetzen können."
(Quelle: Das Geflecht der Unendlichkeit; Baxter, Stephen; 1997; S.216)
Die Spline entwickelten sich auf einem fernen Wasserplaneten als riesige, walähnliche Kreaturen mit beweglichen Gliedmaßen. Sie trafen einst die Entscheidung, sich selbst wieder aufzubauen und unsterblich zu machen, indem sie ihre Häute mit unüberwindlichen Rüstungen überzogen, die es ihnen erlaubten, im Vakuum des Weltraums zu überleben. Sie verdingten sich von da an an anderen intelligenten Arten und wurden zu organischen Raumschiffen, die schneller als Licht reisen konnten (unter Verwendung von in sich selbst eingebetteten Hyperantrieben), obwohl sie immer noch in ihre wässrige Heimatwelt zurückkehren mussten, um sich fortzupflanzen.
Nach dem Zusammenbruch der Qax-Besatzung schlossen die Menschen die gleiche Art von Arrangement wie die Qax mit dem Spline.